Newsletter 2022#2 - Editorial

Liebe Leser*innen

Welche Rolle kommt der Geschlechterforschung als kritische Wissenschaft in autoritär-populistischen Zeiten zu? Dieser Frage war das Symposium zu Ehren von Andrea Maihofer vom 13./14. Mai 2022 an der Universität Basel gewidmet. Susanne Baer fragte in ihrer «Keynote» anlässlich des Symposiums nach der Bedeutung von Recht in der Demokratie, und machte damit den Beitrag der feministischen Rechtswissenschaft und Gender Law zur kritischen Geschlechterforschung wie auch zur Bewältigung aktueller Krisen deutlich. Susanne Baer sprach die zahlreichen Umdeutungen an, die Grund- und Menschenrechte jüngst erfahren haben. In verdrehter Weise werden Argumente der Gleichheit oder Freiheit eingesetzt, um sinnvolle Strategien zur Bewältigung der Pandemie oder der Umweltkrise zu verhindern oder um militärische Gewalt zu rechtfertigen. Rechte werden auch im Kulturkampf rund um Geschlechterfragen umgedeutet oder manipuliert, etwa wenn ein Konditor das Recht für sich in Anspruch nimmt, keine Hochzeitstorten an schwule Paare zu verkaufen, Eltern gegen einen inklusiven, unterschiedliche Lebensformen thematisierenden Sexualkunde-Unterricht ihr Erziehungsrecht anrufen, oder Religionsgemeinschaften das Recht auf homogene Identität geltend machen, etwa gegen das Tragen des muslimischen Kopftuchs am Arbeitsplatz. Als Antwort plädierte Susanne Baer eindrücklich für die kritische Rekonstruktion der Grund- und Menschenrechte in der Trias Gleichheit – Freiheit – Menschenwürde, eine Rekonstruktion, die das «Andere des Rechts» , seine emanzipatorischen, seine in einem kritischen Sinne egalitären Gehalte ans Licht bringt.

Anlässlich des Symposiums hat sich auch der Verein FRI zur Mitgliederversammlung getroffen. Das FRI blickt auf ein sehr aktives Jahr 2021 zurück, das ganz im Zeichen der Debatte um Frauen*stimmrecht und Demokratie stand, und bereitet aktuell den Kongress für Gender Law 2023 vor. Der Verein FRI freut sich über neue Mitglieder,  insbesondere aus dem Kreis der Leser*innen unseres Newsletters.

Für die Redaktion:
Michelle Cottier, Alexandre Fraikin, Sandra Hotz, Manuela Hugentobler, Nils Kapferer, Meret Lüdi (verantwortliche Redaktorin) und Rosemarie Weibel