Entwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz

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DEUTSCHLAND: GESCHLECHTSIDENTITÄT

Die Regierungskoalition hat am 23. August 2023 einen Entwurf des so genannten Selbstbestimmungsgesetzes beschlossen.

Es soll das Transsexuellengesetz von 1980 ablösen, das vom Bundesverfassungsgericht in weiten Teilen für verfassungswidrig und damit unanwendbar erklärt worden war. Dies betraf unter anderem die Regelungen, nach denen die Ehelosigkeit, die Anpassung der äußeren Geschlechtsmerkmale durch operative Eingriffe und der Nachweis dauerhafter Fortpflanzungsunfähigkeit Voraussetzung für die Änderung des Geschlechtseintrags waren. Gleichzeitig bestehen auch heute noch hohe Hürden für transsexuelle und nicht-binäre Menschen, ihren Geschlechtseintrag oder Vornamen zu ändern. Nach der derzeitigen Regelung ist ein Gerichtsverfahren erforderlich, in dem zwei Gutachten eingeholt werden müssen. Diese Gerichtsverfahren sind oft langwierig, kostenintensiv und entwürdigend. Ziel der Neuregelung ist es, eine einheitliche Regelung für alle trans-, inter- und nicht-binären Menschen zu schaffen.

Der Geschlechtseintrag und/oder die Vornamen können nach dem Entwurf künftig durch Erklärung gegenüber dem Standesamt geändert werden. Die erklärende Person muss dabei auch versichern, dass die beantragte Änderung ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht und sie sich der Tragweite der Entscheidung bewusst ist. Diese Änderungen werden nach einer Frist von drei Monaten wirksam und in alle amtlichen Dokumente, wie z.B. den Reisepass, übernommen. Für eine erneute Änderung soll eine Sperrfrist von einem Jahr gelten. Minderjährige können die Erklärung ab 14 Jahren selbst abgeben, wobei die Zustimmung der Erziehungsberechtigten erforderlich ist, die aber bei Gefährdung des Kindeswohls durch eine Entscheidung des Familiengerichts ersetzt werden kann. Wichtig ist auch das Offenbarungsverbot. Zum Schutz von Personen, die ihren Geschlechtseintrag haben ändern lassen, dürfen nach § 13 des Entwurfs die bisher geführten Vornamen und die bisherige Geschlechtszugehörigkeit grundsätzlich nicht offenbart oder ausgeforscht werden. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) kritisiert hier, dass nur ein absichtlich schädigendes Outing oder Deadnaming gegen den Willen der betroffenen Person bußgeldbewehrt sein soll.

Im Mittelpunkt der Kritik der Fachverbände und der Zivilgesellschaft steht der sog. Hausrechtsparagraph, der auf eine Initiative von Justizminister Buschmann zurückgehen soll. Nach § 6 Abs. 2 des Entwurfs „bleibt das Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers und das Recht juristischer Personen, ihre Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, unberührt“. Nach den Erläuterungen geht es u.a. um den Zugang zu geschlechtsspezifischen Toiletten, Umkleideräumen und Saunen sowie um die Unterbringung in Justizvollzugsanstalten. Zum ersten Komplex wird ausgeführt, dass Personen „künftig nicht mehr allein aufgrund ihres Geschlechtseintrags Zugang erhalten könnten“. Vielmehr könnten Betreiber*innen von Saunen vor dem Hintergrund befürchteter (sexueller) Belästigung beispielsweise Transfrauen den Zugang zur Frauensauna verweigern.
Ansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wären dann mangels Rechtfertigung durch einen sachlichen Grund ausgeschlossen. Auch wenn zusätzlich darauf hingewiesen wird, dass eine Zutrittsverweigerung nicht pauschal auf die Geschlechtsidentität gestützt werden kann, bedient diese Regelung einen Talking Point rechter und ultrakonservativer Gruppen und Personen. Ohne jeden empirischen Anhaltspunkt werden hier Bedrohungsszenarien konstruiert und implizit unterstellt, es bestünde ein erhebliches und daher regelungsbedürftiges Missbrauchsrisiko des Selbstbestimmungsrechts. Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass trans-, inter- und nicht-binäre Menschen selbst in sehr hohem Maße von sexualisierten Übergriffen betroffen sind. Toiletten, Umkleiden und Duschen werden durch das Selbstbestimmungsgesetz nicht unsicherer. Auch hier kommt es zwar leider immer wieder zu Übergriffen, jedoch vor allem durch cis-Männer.

Direkter Link zum Gesetzesentwurf (kabinett.de)

Gender Law Newsletter FRI 2023#3, 01.09.2023 - Newsletter abonnieren