Website nonbinary.ch

SCHWEIZ: NONBINARY

2022

Rubrik: Recht und non-binäres Geschlecht

Gastbeitrag von Chri Hübscher
Die Website nonbinary.?ch trägt seit 2016 Wissen rund um das Thema non-binäres Geschlecht zusammen. Sie richtet sich sowohl an Menschen, die ihre eigene Geschlechtsidentität erforschen als auch an Personen oder Organisationen, die im Alltag mit non-binären Menschen zu tun haben – mit Fokus auf die Schweiz. Seit 2020 gibt es auch einen Newsletter zur Website, in dem Informationen zur Website und News rund um das Thema non-binäres Geschlecht – aus der Schweiz und international – versendet werden. 

 
Das Thema «Recht und non-binäres Geschlecht» ist in letzter Zeit in der Schweiz aus verschiedenen Gründen mehr ins Zentrum gerückt. Seit Januar 2022 gilt in der Schweiz ein vereinfachtes Verfahren für die (binäre) Änderung des Geschlechtseintrages. Aber trotzdem ist eine Option für non-binäre Menschen noch in weiter Ferne, obwohl diese in vielen anderen Ländern bereits Realität ist. Im Jahr 2021 gab es auch noch einen Entscheid des Aargauer Obergerichts, der verlangt hat, dass die Aargauer Behörden einen in Deutschland gestrichenen Geschlechtseintrag übernehmen müssen. Gegen dieses Urteil hat aber das Bundesamt für Justiz Beschwerde eingereicht und deshalb ist der Fall zurzeit beim Bundesgericht hängig. In einem Crowdfunding hat dann das Transgender Network Switzerland (TGNS) über 45'000.– CHF gesammelt, um diesen Fall optimal unterstützen zu können. Das Thema Geschlechtseinträge für non-binäre Menschen liegt also in der Luft.
 
Deshalb haben wir die Informationen rund um dieses Thema auf der Website stark ausgebaut. In einem Text werden verschiedene Aspekte davon beleuchtet. Da dabei aber ca. 17 Seiten zusammengekommen sind, können hier nur die zentralen Punkte des Textes aufgelistet werden:
  1. Amtliches Geschlecht wird basierend auf dem bei Geburt zugeschriebenen Geschlecht erfasst. In der Schweiz sind zurzeit nur die beiden Optionen «F» und «M» möglich.
  2. Es ist unklar, warum der Staat überhaupt unser Geschlecht erfassen soll, denn erstens ist im Schweizer Recht Geschlecht gar nicht definiert und die Gründe für die Erfassung sind aus rechtlicher Sicht unklar.
  3. Ab 2022 wird die Änderung des (binären) Geschlechts in der Schweiz basierend auf einer Selbstdeklaration gemacht und stark vereinfacht – im Gegensatz zu den früheren teuren, aufwändigen und menschenrechtswidrigen Verfahren.
  4. Es ist wichtig, dass es auch in der Schweiz nicht-binäre Geschlechtseinträge gibt, weil das Recht auf geschlechtliche Identität ein Menschenrecht ist und das nicht akzeptieren der Geschlechtsidentität – vor allem durch den Staat – ein zentraler Stressor für non-binäre Menschen ist, der potentiell krank macht.
  5. Für nicht-binäre Geschlechtseinträge sind unterschiedliche Optionen denkbar: Geschlechtseintrag streichen, Geschlechtseintrag offen lassen und Geschlechtseintrag mit neuen Kategorien (eine, eine mit Zusätzen oder mehrere).
  6. Es ist wichtig, dass die Einträge für alle non-binären Menschen – nicht nur für intergeschlechtliche non-binäre Menschen – zugänglich sind und sie nicht an Bedingungen (z.B. Bestätigungen von Fachpersonen) geknüpft werden.
  7. In Deutschland gibt es zwei und in Österreich vier nicht-binäre Geschlechtseinträge. Auch in vielen anderen Ländern auf der ganzen Welt gibt es nicht-binäre Geschlechtseinträge.
  8. In der Schweiz gibt es seit 2017 Postulate und aus 2020 einen Bericht der Nationalen Ethikkommission zum Thema. Das Obergericht Aargau hat 2021 verfügt, dass ein nicht-binärer Geschlechtseintrag aus Deutschland in der Schweiz anerkannt werden muss. Gegen dieses Urteil hat aber der Bund Beschwerde eingereicht. Der Fall ist zurzeit beim Bundesgericht hängig.
  9. Es ist höchste Zeit, dass es auch in der Schweiz nicht-binäre Geschlechtseinträge für alle gibt.
 
Auch wenn sich das Bundesgericht im obgenannten Verfahren dafür ausspricht, dass nicht-binäre Geschlechtseinträge aus dem Ausland in der Schweiz anerkannt werden müssen, haben ein Grossteil der non-binären Menschen immer noch keinen Zugang zu diesen Geschlechtseinträgen. Deshalb muss die Sensibilisierung für dieses Thema in jedem Fall weiter gehen. Wir bleiben dran! Mehr zu diesem Thema wird kommen.
 
Die Website: www.nonbinary.ch 
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Der ganze Text: Recht und non-binäres Geschlecht

Gender Law Newsletter FRI 2022#1, 01.03.2022 - Newsletter abonnieren