CEDAW-Ausschuss: die Schweiz hat massive Defizite in der Gleichstellung

WORLD & SCHWEIZ: CEDAW

2022

CEDAW, Concluding observations on the sixth periodic report of Switzerland, 31 October 2022.
 
Gastbeitrag von Jana KÖNIG, Geschäftsführerin NGO-Koordination post Beijing Schweiz

Der zuständige Expert*innenausschuss der Vereinten Nationen hat rund 70 Empfehlungen zur Umsetzung des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) an die Schweiz formuliert. Die Handlungsempfehlungen sind vielfältig. Im Grundsatz bemängelt der Ausschuss, dass die Gleichstellung noch nicht erreicht ist und grosse Diskrepanzen zwischen den Kantonen bei der Umsetzung der Konvention bestehen. Das Gremium sieht unter anderem in folgenden Bereichen Handlungsbedarf und ermahnt die Schweiz nachdrücklich:
  • die Kenntnis betreffend CEDAW allgemein zu verbessern und Fachpersonen im Zusammenhang mit Frauenrechten und Gleichstellung zu sensibilisieren und auszubilden;
  • vorübergehende Massnahmen wie Quoten zu ergreifen, um die Gleichstellung substanziell und beschleunigt voranzubringen;
  • diskriminierende Geschlechterstereotypen in allen Bereichen zu verhindern und zu beseitigen;
  • eine systematische geschlechtsspezifische Haushaltsplanung (Gender Budgeting) auf allen Ebenen einzuführen;
  • Massnahmen zu stärken, die die Lohngleichheit fördern;
  • die Geschlechterperspektive in die nationale Digitalisierungsstrategie zu integrieren.
Im Zusammenhang mit geschlechtsbezogener Gewalt fordert der Ausschuss unter anderem Folgendes:
  • Gesetze zu verabschieden, die Hassreden aufgrund von Sexismus und Frauenfeindlichkeit ausdrücklich verbieten;
  • die Definition von Vergewaltigung im Strafgesetzbuch im Sinne von «Nur Ja heisst Ja» zu ändern;
  • sicherzustellen, dass alle Frauen, die Opfer häuslicher oder sexueller Gewalt sind, ihren misshandelnden Ehepartner verlassen können, ohne ihren Aufenthaltsstatus zu verlieren (AIG 50);
  • gezielte Massnahmen zur Verbesserung der Situation von Opfern von Menschenhandel zu ergreifen;
  • Massnahmen in verschiedenen Bereichen zur Bekämpfung von FGM zu ergreifen.
Auch wurde die Schweiz ermahnt, ihre extraterritoriale Verantwortung wahrzunehmen und die Auswirkungen ihrer Finanz- und Unternehmenssteuerpolitik auf die substanzielle Gleichstellung im globalen Süden zu evaluieren.

Die NGO-Koordination post Beijing Schweiz, ein Zusammenschluss von über 30 Organisationen der Schweizer Zivilgesellschaft, koordiniert das Berichterstattungsverfahren der NGOs und hat im aktuellen Monitoring-Zyklus zur Umsetzung von CEDAW einen Schattenbericht veröffentlicht. Auch lobbyierten Vertreterinnen der NGO-Koordination während der 83. CEDAW-Session in Genf für die Themen der Mitgliedsorganisationen und beantworteten dem Expert*innenausschuss Fragen. In der kommenden Zeit wird die NGO-Koordination das zivilgesellschaftliche Monitoring aufbauen und den Stand der Umsetzung verfolgen. Denn: Es muss noch einiges passieren, damit die Gleichstellung in der Schweiz Realität wird.


Direkter Link zu den Empfehlungen (tbinternet.ohchr.org)
Direkter Link zum Schattenbericht (postbeijing.ch)
Siehe auch Medienmitteilung Bericht CEDAW (admin.ch)

Gender Law Newsletter 2022#04, 01.12.2022