Bachelorarbeit Antidiskriminierungsrecht

SCHWEIZ: GLEICHSTELLUNGSRECHT

2022

Elias STUDER, Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität als Teil des Diskriminierungsschutzes «Aufgrund des Geschlechts/Because of Sex», eine Analyse von BGE 145 II 153 mit einem Vergleich zu Bostock v. Clayton Country, Fribourg 2021.

Gastbeitrag von Elias STUDER, BLaw, Masterstudent an der Universität Basel

Am 5. April 2019 entscheidet das Schweizer Bundesgericht mit BGE 145 II 153, dass Homosexuelle durch den Diskriminierungsschutz «aufgrund des Geschlechts» im Gleichstellungsgesetz nicht geschützt sind. Rund ein Jahr später, am 15. Juni 2020, entscheidet der US-amerikanische Supreme Court das Gegenteil in Bezug auf den Diskriminierungsschutz «because of sex» im Civil Rights Act. In dieser Seminararbeit wird der Frage auf den Grund gegangen, warum diese zwei höchsten Gerichte beim praktisch gleichen Problem zu entgegengesetzten Ergebnissen gelangen und was das mit ihrem Verständnis von «Geschlecht» zu tun hat.

Zentral für die unterschiedlichen Ergebnisse ist dabei, dass der Supreme Court von einem Schutz des Individuums ausgeht, der jede Ungleichbehandlung, die irgendeinen natürlich kausalen Zusammenhang zum Geschlecht der betroffenen Person hat, verbietet. Dem gegenüber steht das Verständnis des Bundesgerichts, das davon ausgeht, dass es beim Gleichstellungsgesetz um die tatsächliche – das heisst hierarchische – Gleichstellung zweier Geschlechtsgruppen geht. Nach bundesgerichtlichem Verständnis ist deswegen ein Individuum nicht geschützt, solange insgesamt Angehörige beider Geschlechter für das die gleichen – aber je nach Geschlecht umgekehrten – Erwartungen verletzende Verhalten gleich stark diskriminiert werden (in diesem Fall die Erwartung, sexuell vom anderen als dem eigenen Geschlecht angezogen zu sein).

Das Bundesgericht stützt sich bei diesem Verständnis vor allem auf eine historische Auslegung. In dieser Arbeit wird entsprechend auch untersucht, inwiefern es in der Botschaft des Bundesrats und in der Parlamentsdebatte zum Gleichstellungsgesetz tatsächlich nur um eine hierarchische Gleichstellung von Frau und Mann ging oder inwiefern stattdessen auch bei einer historischen Auslegung der Schutz des Individuums vor Erwartungen aufgrund ihres Geschlechts ins Gleichstellungsgesetz interpretiert werden kann. Daneben wird der Frage nachgegangen, wie das Urteil des Bundesgerichts im Verhältnis zu einem sozialwissenschaftlichen Verständnis von Geschlecht steht und was das Urteil für Fälle der Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität bedeutet.

Direkter Link zur Bachelorarbeit (genderlaw.ch)

Gender Law Newsletter 2022#04, 01.12.2022