Zweck der Entschädigung nach GlG bei sexueller Belästigung

SCHWEIZ: GLEICHSTELLUNGSGESETZ

Bundesgericht, 21. Oktober 2020 (8C_74/2019)

Sachverhalt und Prozessgeschichte: A. begann 1994 ihre Lehre bei der SBB und wurde nach 16 Jahren auf ihren Wunsch in der Eventmanagement-Abteilung eingeteilt. In dem neuen Team von 20 Personen war sie die einzige Frau. Im Folgejahr wurde sie Zeugin eines versuchten Raubüberfalls auf die Wechselstube, worauf ihr Arbeitsort gewechselt wurde. Sie war sehr mitgenommen und die Mitarbeit mit den Kollegen gestaltete sich zunehmend als schwierig. Die Personalverantwortlichen stellten in den nachfolgenden Gesprächen fest, dass A. nicht genügend unterstützt worden war von ihrem Gruppenleiter nach ihrem traumatischen Erlebnis. Es kam zu einer Coaching-Vereinbarung zwischen A. und dem Vorgesetzten, welche anfangs Februar 2014 als erfolgreich beendet erklärt wurde. Ende Februar 2014 meldete A. sich aber als arbeitsunfähig, die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) wandte sich in der Folge an die SBB AG, um eine Diskriminierung geltend zu machen. A. leide namentlich unter der frauenfeindlichen Haltung und irreführenden Aussagen ihrer Kollegen und der Gruppenleiter scheine die geschlechtsspezifischen Schwierigkeiten der einzigen Frau im Team nicht zu verstehen. Sie machte geltend, dass sie als «zierliche» nicht belastbare Frau angesehen werde und die Mentalität der Männer im Team zu ändern, scheine allein auf ihren Schultern zu lasten. Nachdem A. wieder arbeitsfähig war, verweigerte der neue Personalverantwortliche ihren Einsatz im bisherigen Team, denn zuerst müsse geklärt werden, ob die Belästigungsvorwürfe (harcèlement) und die Mobbingvorwürfe gegenüber dem Team begründet seien. Es wurde eine externe Firma eingesetzt, welche den Fall untersuchte und 2015 zum Schluss kam, die Mobbingvorwürfe seien in Bezug auf alle Kollegen unbegründet, aber der Gruppenleiter habe seine Führungsaufgabe nicht wahrgenommen und sexuelle Belästigungen von einigen Kollegen seien wahrscheinlich, wobei generell von einer Unprofessionalität auszugehen sein und nicht vom Wunsch A. schaden zu wollen. Anfangs 2016 bestand A. darauf, dass die SBB AG endlich Stellung zu den Vorwürfen betr. sexueller Belästigung nehme, worauf diese im November 2016 entschied, eine sexuelle Belästigung sei wahrscheinlich gewesen und A. eine Genugtuung von CHF 6'597.- gemäss Art. 5 Abs. 3 GlG zugesprach (rund einen Monatslohn). Ein Mobbingvorwurf wurde indes verneint. A. rekurrierte in der Folge und verlangte vor Bundesverwaltungsgericht stattdessen CHF 24'756 unter dem Titel Entschädigung nach Art. 5 Abs. 3 GlG plus CHF 7'500 Genugtuung wegen sexueller Belästigung nach Art. 5 Abs. 5 GlG sowie CHF 15'000.- Genugtuung unter dem Titel (psychisch) Persönlichkeitsverletzung und Mobbing und CHF 51'453 Schadenersatz aufgrund der angefallenen Anwaltskosten. Das Bundesverwaltungsgericht hiess die Beschwerde teilweise gut, und auferlegte der SBB AG rund CHF 13'700 der vorinstanzlich angefallenen Kosten von A. Vor Bundesgericht hält A. an ihren Forderungen fest und macht im Wesentlichen geltend die Vorinstanz negiere die Intensität und Dauer der erlebten sexuellen Belästigungen.

Erwägungen: Das Bundesgericht hält gestützt auf den externen Bericht 2015 fest, dass die folgenden Äusserungen als sexuelle Belästigungen nach Art. 4 GlG seitens der Kollegen der A. zu qualifizieren sind (E. 3.2.1): «Si elle a réussi, c'est parce qu'elle a couché!»; «Pour moi, les femmes sont biologiquement faites pour fonder un foyer, s'occuper de la cuisine, de l'aspirateur et des devoirs...»; «Moi, ma femme, il est exclu qu'elle conduise ma voiture!»; «Elle ferait mieux de retourner aligner les catalogues dans une agence de voyage plutôt que de nous faire chier dans notre caserne!».
Es erklärt auch, dass nach Art. 5 Abs. 3 GlG der Anspruch auf Entschädigung sich in Fällen von sexueller Belästigung immer gegen die Arbeitgeberin richtet und nicht von einem Verschulden oder von einem Vermögensschaden oder einer immateriellen Beeinträchtigung des Belästigungsopfers abhängt (E. 3.3.1). Die Entschädigung hat nämlich auch einen pönalen Charakter und bezweckt eine abschreckende Wirkung auf Unternehmen, die keine Präventionsmassnahmen gegen sexuelle Belästigungen ergreifen. Diese Entschädigung ist betragsmässig gemäss Art. 5 Abs. 4 GlG auf sechs Monatslöhne beschränkt. Damit wird die Beschwerde teilweise gutgeheissen.
Darüber hinaus kann ein Schadenersatzanspruch und / oder ein Genugtuungsanspruch wegen sexueller Belästigung bestehen (Art. 5 Abs. 5 GlG), welcher aber nach BGer eine gewisse Schwere in objektiver Sicht erreichen müssten, was bei sexistischen Witzen («plaisanteries sexistes») verneint werden müsse (E. 4.2).
Auch die zusätzliche Genugtuungssumme wegen Mobbing gestützt auf Art. 49 OR ist von der Entschädigungspflicht nach Art. 5 Abs. 3 GlG zu unterscheiden. Mobbing (oder psychische Belästigungen, harcèlements psychiques) liegen vor bei mehreren aneinander folgenden feindlichen Akten während einer längeren Dauer, in welcher eine oder mehrere Personen systematisch versuchen eine andere Person oder eine Personengruppe zu isolieren, zu marginalisieren und bei der Arbeit auszuschliessen (E. 5.1).
Das Opfer befindet sich oftmals in einer Situation, in der jeder einzelne Akt zwar noch nicht als feindlich eingestuft werden kann, aber die einzelnen Akte in ihrer Gesamtheit erscheinen dann als solches. Konflikte am Arbeitsplatz oder schlechtes Arbeitsklima bedeuten aber noch kein Mobbing. Das BGer anerkennt aufgrund der Akten zwar Probleme und eine gewisse Dysfunktionalität im Team, vermag aber kein Mobbing festzustellen. Bspw. mit der Begründung, dass die Kollegen die Kompetenz von A. nie in Frage gestellt hätten, auch A. herablassend über ihre Kollegen gesprochen hatte und ein Mobbingtatbestand kaum vereinbar wäre mit dem Wunsch von A. weiterhin in dieser Abteilung arbeiten zu wollen (E. 5.3).
 
Vgl. Broschüre SECO zu Mobbing (2018)
Direkter Zugang zum Urteil (bger.ch)