Eintragung einer georgischen Geburtsurkunde im Zusammenhang mit Leihmutterschaft

SCHWEIZ: KINDESVERHÄLTNIS BEI LEIHMUTTERSCHAFT 

Bundesgericht, 1. Juli 2022 (5A_32/2021, zur Publikation vorgesehen)

Leihmutterschaft in Georgien: Bei in der Schweiz wohnhaften Wunscheltern ersetzt die georgische Geburtsurkunde weder eine ordentliche Vaterschaftsanerkennung noch die Stiefkindadoption

Sachverhalt: Geburt eines Kindes in Georgien durch eine Leihmutter. Genetische Mutter ist eine Eizellenspenderin, genetischer Vater der Wunschvater. Georgien anerkennt die Wunscheltern von Gesetzes wegen als Eltern, ohne Gerichtsurteil. Das kantonale Zivilstandsamt trug zunächst einzig die Leihmutter als Mutter des Kindes ein, das kantonale Obergericht den genetischen und Wunschvater als Vater, Mutter unbekannt (je mit Zusatzangaben). Das Bundesamt für Justiz beantragt Abweisung des Gesuchs der Wunscheltern um Anerkennung des Kindesverhältnisses gemäss georgischer Geburtsurkunde (wie das kantonale Zivilstandsamt).

Urteil: Anwendbar ist nicht das Recht am Geburtsort, sondern am gewöhnlichen Aufenthalt des neugeborenen Kindes, d.h. der sich seit Geburt um das Kind kümmernden Wunscheltern.
Nachdem in der Schweiz gültigen Grundsatz «mater semper certa est» (der als solcher nicht EMRK-widrig ist, E. 7.3), ist als Mutter somit die gebärende Leihmutter ins Zivilstandsregister einzutragen (E. 5).
Die georgische Geburtsurkunde stellt keine Anerkennung der Vaterschaft dar, da eine solche nicht vor der Zeugung erfolgen kann und ausserdem vertretungsfeindlich ist (eine allfällige ordre-public-Widrigkeit wegen Umgehung des hiesigen Leihmutterschaftsverbotes einmal dahingestellt). Damit besteht auch zum Wunsch- und genetischen Vater (noch) kein Kindesverhältnis (E. 6).

Lösung nach Bundesgericht: Anerkennung durch den genetischen und Wunschvater, was sofort möglich ist; danach Stiefkindadoption durch die Wunschmutter und Ehefrau des Vaters. Dabei ist die Adoptionsbehörde zur Priorisierung und raschen Entscheidung verpflichtet, um der Vorgabe des EGMR gerecht zu werden. Die Geburt des Kindes kann im schweizerischen Personenstandsregister eingetragen werden, bevor die Kindesverhältnisse zu den Wunscheltern (als Schweizer Bürger, mit Domizil in der Schweiz) hergestellt sind (E. 7).

Direkter Zugang zum Bundesgerichtsurteil 5A_32/2021: bger.ch
Ausführliche Zusammenfassung französisch auf droitmatrimonial.ch
Hinweis: Reconnaissance de la filiation suite au recours à la « maternité de substitution » - un rappel de la ratio legis par Sandra Hotz / Jérôme Saint-Phor in newsletter droitmatrimonial.ch juin 2022 : droitmatrimonial.ch

Gender Law Newsletter 2022#04, 01.12.2022