Die Strafzumessung des Basler Vergewaltigungsurteils verletzt Bundesrecht

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Gender Law Newsletter FRI 2024#1, 01.03.2024 - Newsletter abonnieren

SCHWEIZ: STRAFRECHT

Urteil des BGer 7B_15/2021 und 7B_16/2021 vom 19. September 2023

In diesem Urteil hebt das Bundesgericht das Basler Vergewaltigungsurteil aufgrund von zwei Verletzungen des Bundesrechts bei der Strafzumessung auf.

Das Basler Vergewaltigungsurteil ist ein Urteil des Appellationsgerichts von Basel vom 30. Juli 2021. Dieses Urteil hatte im Sommer 2021 eine Demonstration veranlasst und wurde in unserem Gender Law Newsletter 2021#4 zusammengefasst und kommentiert. Das Appellationsgericht hatte einen volljährigen Mann «A» für die folgenden Delikte u.a. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, davon achtzehn Monate mit bedingtem Strafvollzug, verurteilt. A hatte als Mittäter einem minderjährigen Mann «B» geholfen, eine Vergewaltigung gegenüber einer Frau im Windfang ihres Hauses zu begehen. Während dieser Vergewaltigung hatte A die Frau zum Oralverkehr gezwungen und somit eine sexuelle Nötigung begangen. Danach hatte A versucht, die Frau zu vergewaltigen, bis der inzwischen onanierende B in ihr Gesicht ejakuliert hatte.
Das Appellationsgericht hatte dem Mann A die Ejakulation von B nicht vorgeworfen, weil A aus seiner Sicht keinen Einfluss darauf gehabt hatte. Es hatte zudem zwar den erschwerenden Umstand berücksichtigt, dass die sexuellen Übergriffe ungeschützt erfolgt waren, aber zugunsten von A erachtet, dass die Sorge der Opfer wegen einer Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten auch ihrer einvernehmlichen, ungeschützten sexuelle Handlungen zuzuschreiben wären, die sie mit einem anderen Mann auf einer Bartoilette an demselben Abend vorgenommen hatte.
Das Bundesgericht erklärt, dass die Zumessung der Strafe von A aus den zwei folgenden Gründen das Bundesrecht verletzt hat (E. 6.3).
Erstens hat das Appellationsgericht zu Unrecht darauf verzichtet, dem Mann A die entwürdigende Ejakulation vom Mann B auf das Gesicht des Opfers vorzuwerfen, weil A und B gegenseitig davon profitiert haben, dass das Opfer «[…] sich durch die Handlung des einen weniger bis gar nicht gegen die Handlung des anderen wehren konnte». Die von A versuchte Vergewaltigung hat somit in voller Kenntnis der Sachlage die gleichzeitig erfolgende Ejakulation von B ins Gesicht des Opfers begünstigt. Dieses Tatelement hätte somit dem Mann A verschuldensmässig angelastet werden sollen.
Zweitens hat das Appellationsgericht in Bezug auf den ungeschützten Charakter der sexuellen Übergriffe das Bundesrecht verletzt, indem es zugunsten von A berücksichtigt hat, dass das Opfer vorher einvernehmliche, ungeschützte sexuelle Handlungen mit einem anderen Mann gehabt hatte.
Infolgedessen weist das Bundesgericht dem Appellationsgericht die Sache zur erneuten Strafzumessung zurück.
Hingegen erklärt das Bundesgericht, dass «[…] die vorinstanzliche Strafzumessung im Übrigen nachvollziehbar und unter Ermessensgesichtspunkten grundsätzlich nicht zu beanstanden ist».
 
Zugang zum Urteil des Bundesgerichts (https://www.bger.ch)
Zusammenfassung und Kommentierung des Urteils des Appellationsgerichts in unserem Gender Law Newsletter 2021#4 (mailchi.mp)