Das Bundesgericht wollte einfach nicht!

SCHWEIZ: GLEICHSTELLUNGSGESETZ

Bundesgericht, 21. November 2020 (8C_179/2020)
 
Gastbeitrag von Martin SCHWEGLER, Rechtsanwalt Menznau
Das Bundesgericht hatte im Urteil 8C_179/2020 vom 12. November 2020 zu beurteilen, ob ein Kanton, der einer in der Asyl-Durchgangsstation arbeitenden Angestellten über einen Zeitraum von rund sieben Jahren um die CHF 80'000 weniger Lohn als dem männlichen Kollegen bezahlte, das Gleichstellungsrecht verletzt. Die von der Frau erhobene Beschwerde gegen den vorinstanzlichen Entscheid wurde abgewiesen.

Erstaunlich war, wie das Bundesgericht feststellen konnte, dass unterschiedliche Pflichtenhefte vorliegen, ohne jemals das Pflichtenheft vom Kollegen gesehen zu haben. Auch wurde die unbewiesene Behauptung des Kantons, der männliche Kollege hätte eine Stellvertreterfunktion gehabt, unbesehen übernommen, obwohl diese weder gelebt noch in einem Organigramm ersichtlich war.
Das Bundesgericht rechtfertigte die Lohnungleichheit auch damit, dass der Kollege eine grössere Anzahl Dienstjahre hätte, obwohl der betreffende Kanton diesen Umstand durch eine Treue- und Erfahrungszulage abgilt. Unbeachtet dabei blieb, dass die Beschwerdeführerin ebenfalls über 18 Jahre Berufserfahrung verfügt und eine deutlich höhere Ausbildung vorweisen konnte.
Zwar wurde im Zusammenhang mit dem Antrag auf ein Gutachten beim eidgenössischen Büro für Gleichstellung von Mann und Frau (EBG) eine rechtliche Stellungnahme eingeholt, diese blieb aber im Entscheid völlig unberücksichtigt. Dies ist kein Sonderfall. Es ist offenbar Praxis, dass das Bundesgericht die Stellungnahmen des EBG meist nur dann in den Entscheid einbezieht, wenn eine Ungleichbehandlung verneint wird. Andernfalls wird – wie vorliegend – auf dessen Würdigung verzichtet. Das EBG hat nämlich unter Berücksichtigung des hohen Lohnunterschiedes und des a priori gleichen Wertes der Arbeit die Glaubhaftmachung der Diskriminierung bejaht.
Also wäre es Sache des Kantons gewesen, seinerseits die Ungleichbehandlung zu erklären. Fakt ist, dass die Beschwerde abgelehnt wurde, obwohl keine der Instanzen jemals die zentralen Beweise abgenommen und die sachlichen Gründe für den Lohnunterschied mit der geforderten Sorgfalt und Tiefe geprüft hat. Die von der Vorinstanz eindeutig falschen Berechnungen interessieren nicht.
Neben der Beschwerdeführerin hat eine weitere Arbeitskollegin eine Lohnungleichheit moniert und parallel den Rechtsweg beschritten. Dieser hat der Regierungsrat eine mittlere fünfstellige Summe bezahlt, weshalb ein Vergleich geschlossen wurde.
Da alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft sind, wird die Beschwerdeführerin in Kürze die CEDAW-Individualbeschwerde einreichen.

Direkter Zugang zum Urteil (bger.ch