Bundesgerichtsurteile zum Gleichstellungsgesetz

SCHWEIZ: GLEICHSTELLUNGSGESETZ

Bundesgericht, 18. Januar 2022 (4A_537/2021)
Bundesgericht, 10. Februar 2022 (8D_5/2021)
Bundesgericht, 10. März 2022 (8C_424/2021)

Im ersten Quartal 2022 sind gleich drei Bundesgerichtsurteile in Sachen Gleichstellungsgesetz ergangen: zu einer Kündigung nach Rückkehr nach dem Mutterschaftsurlaub, Lohnreduktion als Sanktion infolge sexueller Belästigung und Lohngleichheit. Die Bilanz ist durchzogen.

In BGE 4A_537/2021 vom 18. Januar 2022 schützte das Bundesgericht die Kündigung einer Hilfspflegerin in einer Waadtländer Institution bei ihrer Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub. Zwar sei die Kündigung vermutungsweise diskriminierend. Der Entscheid des kantonalen Obergerichts, wonach die Kündigung nicht im Zusammenhang mit der Schwangerschaft ergangen ist, sei aber nicht willkürlich. Die Arbeitgebende hatte geltend gemacht, nach Ablauf der Probezeit sei der Einsatz der Hilfspflegerin zurückgegangen, sie habe Mühe gehabt, Kritik zu akzeptieren und habe immer ihren eigenen Standpunkt durchsetzen wollen. Schliesslich habe sie sich nicht im Team integriert. Die Kündigung sei nur wegen der inzwischen eingetretenen Sperrfrist nicht früher ausgesprochen worden.
Die unentgeltliche Rechtspflege wird nicht gewährt, da die Beschwerde an das Bundesgericht zum vorhinein aussichtslos gewesen sei.

Direkter Zugang zum Urteil: bger.ch
Zusammenfassung italienisch: sentenzeparita.ch
Zusammenfassung französisch: leg.ch
Zusammenfassung französisch: uni neuchâtel


In BGE 8D_5/2021 vom 10. Februar 2022 ging es um die Konsequenzen sexueller Belästigung für den Belästiger, Verantwortlicher eines Polizeipostens im Kanton Genf. Er war für drei Jahre von Klasse 18/11 (CHF 120’491.00) in Klasse 17/13 (CHF 117’165.00) zurückgestuft worden. Anlässlich eines Abendessens in einem Restaurant zusammen mit Kollegen hatte er einer Kollegin den Pullover runter gezogen und seinen Blick in ihr Decolleté versenkt («tiré le pull-over et plongé son regard dans son décolleté»); in einem anderen Fall hatte er einer Untergebenen mit einer Agenda oder einem Dossier einen Klapps auf den Hintern versetzt. Auch sonst machte er etwa sexuelle Anspielungen. Das Bundesgericht schützte den Entscheid des kantonalen Obergerichts. Bei der Lohnrückstufung sei auch das Verhältnismässigkeitsprin­zip angesichts einer im übrigen langjährigen exemplarischen Karriere gewahrt: Es gehe klar um sexuelle Belästigung, und zwar nicht banale, was der Beschwerdeführer offenbar verkenne.

Direkter Zugang zum Urteil: bger.ch
Zusammenfassung italienisch: sentenzeparita.ch
Zusammenfassung französisch: uni neuchâtel


In BGE 8C_424/2021 vom 10. März 2022 schliesslich wurde die Klage einer Gruppenleiterin im Erziehungsdepartement des Kantons Genf abgelehnt, welche Lohndiskriminierung gegenüber den männlichen Gruppenleitern geltend gemacht hatte. Nach Genfer Lohneinreihungssystem war ihre Funktion nämlich höher bzw. gleich hoch bewertet worden wie diejenige der übrigen Gruppenleiter, die in den Lohnklassen 15 und 14 statt 13 eingereiht waren. Das Bundesgericht ist der Ansicht, ein Gutachten sei nicht erforderlich: Ob allfällige Differenzen in Tätigkeit und Funktion einen Lohnunterschied zur rechtfertigen vermögen sei eine Rechtsfrage. Es bestünden Unterschiede in den effektiven Aufgaben, im zu verwaltenden Budget, in der Zahl der Untergebenen, alles Kriterien, die Lohnunterschiede rechtfertigen würden. Ausserdem sei auch die Vorgängerin des in Klasse 14 eingereihten Kollegen, auf dessen Vergleich sich die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht offenbar nunmehr beschränkte, in Klasse 14 eingereiht gewesen, womit die Ungleichbehandlung sowieso nicht geschlechterdiskriminierend sein könne.
Der Entscheid ist einigermassen unverständlich: Insbesondere ist nicht klar, weshalb eine Arbeitgeberin diskussionslos von ihrem eigenen Bewertungssystem abweichen können soll und seit wann es zur Rechtfertigung einer im übrigen geschlechterdiskriminierenden Entlöhnung ausreicht, dass zufällig mal eine Frau nicht diskriminiert wurde.

Direkter Zugang zum Urteil: bger.ch
Zusammenfassung italienisch, mit Kurzkommentar: sentenzeparita.ch

Gender Law Newsletter FRI 2022#2, 01.06.2022 - Newsletter abonnieren