Begriff der lebensprägenden Ehe

SCHWEIZ: FAMILIENRECHT



Bundesgericht, 25. März 2022 (5A_568/2021, zur Publikation vorgesehen)

Ist es einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere Ehegatte nach Art. 125 Abs. 1 ZGB einen angemessenen Beitrag zu leisten. Für die Festlegung des gebührenden Unterhalts nimmt die Rechtsprechung zum Ausgangspunkt, ob die Ehe lebensprägend war oder nicht. Wurde während der Ehe ein gemeinsames Kind geboren, wurde Lebensprägung bisher regelmässig bejaht. Dieses Kriterium fällt aufgrund der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichts dahin. Als lebensprägend sei eine Ehe jedenfalls dann einzustufen, wenn ein Ehegatte aufgrund eines gemeinsamen Lebensplanes seine ökonomische Selbständigkeit zugunsten der Haushaltsbesorgung und Kinderbetreuung aufgegeben hat und es ihm nach langjähriger Ehe nicht mehr möglich ist, an seiner früheren beruflichen Stellung anzuknüpfen oder einer anderen Erwerbstätigkeit nachzugehen, welche ähnlichen ökonomischen Erfolg verspricht, während der andere Ehegatte sich angesichts der ehelichen Aufgabenteilung auf sein berufliches Fortkommen konzentrieren konnte. Im konkreten Fall wird dies trotz fortbestehender Kinderbetreuung verneint. Damit führt das Bundesgericht den Abbau des nachehelichen Unterhalts weiter fort, vgl. zu dieser Tendenz in der Rechtsprechung des Bundesgerichts die ausführliche Kritik im Gastbeitrag von Gertrud BAUD und Gabriella MATEFI im Newsletter 2021#2.

Direkter Link zum Urteil (bger.ch)

Gender Law Newsletter 2022#03, 01.09.2022