Initiativen für Verfassungsrevisionen zur finanziellen Autonomie, zur Selbstbestimmung und zum Schutz vor patriarchalischer Gewalt

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SCHWEIZ: PARLEMENTARISCHE INITIATIVEN AUF BUNDESEBENE

Parlamentarische Initiativen, eingereicht von Tamara Funiciello am 20. Juni 2025 beim Nationalrat:
25.454 «Feministische Verfassungsrevision: Finanzielle Autonomie garantieren»
25.455 «Feministische Verfassungsrevision – Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung»
25.460 «Feministische Verfassungsrevision - Recht auf Schutz vor patriarchaler Gewalt (neues Art. 10 Abs. 2bis BV)»

Die Autorin dieser drei parlamentarischen Initiativen versucht, durch Verfassungsänderungen drei Ziele zu unterstützen, die miteinander verbunden sind: finanzielle Autonomie für alle Menschen und insb. für Frauen, Schutz vor patriarchalischer Gewalt (wozu auch eine finanzielle Autonomie gehört) und körperliche sowie sexuelle Selbstbestimmung (die auch einen Schutz vor sexualisierte Gewalt braucht).

I. Parlamentarische Initiative 25.454 zur finanziellen Autonomie

Die parlamentarische Initiative 25.454 zur finanziellen Autonomie verlangt einen neuen Abs. 3bis (nach dem Absatz zur Geschlechtergleichstellung) im Art. 8 der Bundesverfassung (BV), der wie folgt lauten würde:
«Bund und Kantone sorgen dafür, dass alle Menschen in allen Lebensphasen finanziell autonom sein können.
Sie fördern insbesondere die eigenständige Existenzsicherung, soziale Absicherung von unbezahlter Sorgearbeit, Gleichstellung im Erwerbsleben sowie in der Altersvorsorge».

Die Autorin der Initiative stützt diese Forderung auf die Tatsache, dass Frauen den Grossteil unbezahlter Sorgearbeit leisten, im Durschnitt weniger verdienen, häufiger Teilzeit arbeiten und von Armut betroffen sind, und über eine kleinere Rente und ein tieferes Vermögen als Männer verfügen. Sie weist darauf hin, dass die finanzielle Autonomie sowohl eine Frage der Gleichstellung als auch eine «Grundvoraussetzung für Selbstbestimmung und ein Leben in Sicherheit [ist]. Ohne eigenes Einkommen oder soziale Absicherung fehlt vielen Frauen zum Beispiel die Möglichkeit, aus gewaltvollen Beziehungen auszubrechen. [...]».

II. Parlamentarische Initiative 25.460 zum Schutz vor patriarchalischen Gewalt

Die parlamentarische Initiative 25.460 zum Schutz vor patriarchalischen Gewalt verlangt einen neuen Abs. 2 bis im Art. 10 BV – d.h. nach dem Abs. 2, welcher u.a. ein Recht auf körperliche Unversehrtheit gewährleistet – mit dem folgenden Inhalt: «Jeder Mensch hat das Recht auf ein Leben frei von patriarchaler Gewalt. Bund und Kantone treffen wirksame Massnahmen zum Schutz vor geschlechtsbezogener, häuslicher und sexualisierter Gewalt sowie zur Prävention struktureller Gewaltverhältnisse».

Die Autorin der Initiative weist darauf hin, dass «[...] täglich Menschen – insbesondere Frauen, queere, trans und nicht-binäre Personen – Gewalt [erleben], nur weil sie sind, wer sie sind. Diese Gewalt ist nicht individuell oder zufällig – sie ist Ausdruck patriarchaler Machtverhältnisse und struktureller Ungleichheit. Ob häusliche Gewalt, sexualisierte Gewalt, digitale Übergriffe, Feminizide oder institutionelles Versagen im Opferschutz: Das Ausmass patriarchaler Gewalt in der Schweiz ist erschreckend. Jede Woche wird in der Schweiz ein Tötungsversuch an einer Frau verübt, jede zweite Woche stirbt eine Frau an den Folgen patriarchaler Gewalt. Die Zahlen sind seit Jahren konstant hoch – trotz gesetzlicher Grundlagen und Aktionsplänen».

Sie kritisiert, dass die heutige Rechtslage «zu kurz [greift]: Sie schützt einzelne Betroffene nach Gewalttaten, statt Gewaltverhältnisse konsequent zu verhindern. Es fehlt an einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung von Bund und Kantonen, strukturelle Gewalt ernst zu nehmen und präventiv zu bekämpfen. Genau hier setzt diese parlamentarische Initiative an. [...]».

III. Parlamentarische Initiative 25.455 zur Selbstbestimmung

Die parlamentarische Initiative 25.455 für ein Recht auf körperlichen und sexuellen Selbstbestimmung verlangt einen neuen Abs. 2ter im Art. 10 BV mit dem folgenden Inhalt: «Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung. Der Staat gewährleistet insbesondere den Zugang zu medizinischer Versorgung im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit».

Sie erachtet nämlich als notwendig, das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung ausdrücklich in der Verfassung zu verankern, insb. damit der Staat den Zugang zur medizinischen Versorgung im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit (u.a. zur sexuellen Bildung, Verhütung, zum Schwangerschaftsabbruch und zur gynäkologischen Versorgung) gewährleistet, Diskriminierungen abbaut und einen Schutz vor sexualisierten Gewalt garantiert. Denn «[g]erade in diesen Bereichen zeigen sich bestehende Ungleichheiten und Verletzungen: Verhütung ist teuer und selbst zu zahlen. Schwangerschaftsabbrüche sind legal, aber nicht garantiert zugänglich. Sexualaufklärung ist kantonal uneinheitlich. Und Betroffene sexualisierter Gewalt erfahren oft mehr Hürden als Hilfe».

Direkter Zugang zur parlamentarischen Initiative 25.454 (finanzielle Autonomie)
Direkter Zugang zur parlamentarischen Initiative 25.455 (Selbstbestimmung)
Direkter Zugang zur parlamentarischen Initiative 25.460 (Schutz)