Verhüllungsverbot

SCHWEIZ: VOLKSABSTIMMUNG VOM 7. MÄRZ 2021

19.023 «Ja zum Verhüllungsverbot». Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag
Am 7. März kommt mit dem Verhüllungsverbot eine Volksinitiative zur Abstimmung, die mit islamfeindlichen, rassistischen und sexistischen Narrativen die Körper von muslimischen Frauen regulieren will (siehe bereits Beitrag NL 2020#03). Mit einem vermeintlich neutral formulierten Initiativtext wird versucht, problematische staatliche Kleidervorschriften in die Verfassung zu schreiben.

2016 stehen ein paar Männer auf dem Bundesplatz, zwei tragen schwarze Kapuzenpullis, schwarzen Mund-Nasen-Schutz und dunkle Sonnenbrillen, einer trägt eine Burka. Dabei sind Walter Wobmann, Nils Fiechter und ein paar Unbekannte; und sie wollen muslimischen Frauen und «linken Chaoten» verbieten, sich im öffentlichen Raum das Gesicht  zu verhüllen. Am 7. März 2021 wird die Schweizer Stimmbevölkerung über ihre Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» abstimmen. Die letzten Umfragen gehen von einer knappen Annahme aus.
 
Kommentar von Manuela Hugentobler:
Das Egerkinger Komitee instrumentalisiert und objektiviert Muslimas, indem es seine antiislamische Agenda über die Regulierung von weiblichen, rassifizierten Körpern durchsetzen will. Dass es ihnen nicht um Frauenrechte geht, sondern darum, den Islam als eine der Schweiz fremde und terroristische Religion zu verunglimpfen und damit auch rassistische Ressentiments zu schüren, ist offensichtlich. Dennoch gibt es Stimmen, die eine Annahme der Initiative aus feministischen Gründen befürworten. Sie behaupten, dass eine Verhüllung die Selbstbestimmung von Frauen verletze, Unterordnung symbolisiere und deshalb Grundrechte von Frauen missachte.
 
Diese Argumentation unterstellt der Initiative ein inhärent emanzipatorisches Potenzial und verkennt damit, dass es keineswegs bedeutungslos ist, dass die Initiative ihren Ursprung in Kreisen hat, die sonst alles dafür tun, Freiheit und Grundrechte von Frauen und marginalisierten Gruppen einzuschränken. Die Behauptung, die Verhüllung verletze die Selbstbestimmung von Frauen, ist eine Verdrehung der tatsächlichen Verhältnisse. Ob eine Verschleierung des eigenen Körpers Ausdruck von Unterdrückung oder Selbstbestimmung ist, ist kontextabhängig. Eindeutig ist aber, dass staatliche Kleidervorschriften für marginalisierte Minderheiten die Selbstbestimmung der Betroffenen verletzt. Im Modus des „white men save brown women“ reproduzieren Kleidervorschriften ausschliesslich für die weibliche, muslimische Bevölkerung so kolonialistisch-rassistische Machtverhältnisse. Eine differenzierte feministische Positionierung muss, um die Lebensverhältnisse aller Frauen zu verbessern, verschiedene Ebenen der Unterdrückung in den Blick nehmen: Eine egalitäre Gesellschaft wird nur dann Wirklichkeit, wenn wir auch den paternalistischen Orientalismus ablegen und Grundrechte für alle durchsetzen. Gerade im Jahr 2021, in dem wir mit dem Frauenstimmrechtsjubiläum den jahrzehntelangen Kampf für die Selbstbestimmung von Frauen feiern.


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