Keine religiösen Symbole bei Staatsangestellten

GENF: LAIZITÄTSGESETZ ANGENOMMEN

Loi sur la laïcité de l’Etat (LLE) (1176) du26 avril 2018

In Zukunft dürfen Genfer Staatsangestellte und Amtsträger*innen bei der Arbeit keine religiösen Symbole mehr tragen. Die geplante Gesetzesänderung wurde am 10. Februar 2019 in einer kantonalen Volksabstimmung mit 55 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Das Referendum war von linken, feministischen, gewerkschaftlichen und muslimischen Gruppierungen ergriffen worden.

Das LLE sieht ausserdem das Recht der Exekutive vor, im Falle einer «schweren Störung der öffentlichen Ordnung» das Tragen religiöser Symbole an öffentlichen Orten, «einschliesslich Schul- und Universitätsgebäuden», zu verbieten. Unklar ist bislang, wann das Gesetz in Kraft treten soll. Mauro Pioggia (MCG), der das Geschäft von Pierre Maudet (FDP) übernommen hatte, kündigte an, der Regierungsrat werde vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eine Ausführungsverordnung ausarbeiten. Die Neuregelung ist sehr umstritten. Regierungsrat Pioggia ist der Auffassung, das Gesetz diene dem religiösen Frieden im Kanton. Die Referendumskomitees haben grundrechtliche Bedenken, monieren einen falsch verstandenen Laizismus, kritisieren die Einschränkung von Arbeitnehmer*innenrechten und die Diskriminierung von Frauen*, die ein Kopftuch tragen. Letztere werden künftig von allen politischen Ämtern und Verwaltungsstellen auf Kantons- und Gemeindeebene  ausgeschlossen sein. Gegen das Gesetz wurde eine innerkantonale Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Kommentar von Manuela Hugentobler:
Die 
Art. 3 (Verbot des Tragens religiöser Symbole im Staatsdienst) und 7 (Verbot des Tragens religiöser Symbole in der Öffentlichkeit bei schwerer Störung der öffentlichen Ordnung) sind zunächst Ausdruck eines problematischen Begriffs staatlicher Neutralität. Wenn staatliche Herrschaft überhaupt gerecht sein kann, muss sie, selbstverständlich, nicht-diskriminierend und entsprechend unparteiisch sein. Es wurde verschiedentlich beschrieben, dass der Staat aktuell gerade das aber nicht ist, sondern dass er, wie alle gesellschaftlichen Institutionen, geprägt ist von rassistischen und sexistischen Strukturen. Soll er gerechter werden, müssten also solche Strukturierungen bekämpft werden, anstatt Individuen zu verbieten, ihrer Religion Ausdruck zu verleihen. Hinzu kommt, dass mit der neuen Regelung hauptsächlich kopftuchtragende Frauen* und kippatragende Männer* von öffentlichen Ämtern und Arbeitsstellen ausgeschlossen werden. Auch wenn Art. 3 formal Angehörige aller Religionen trifft, muss er im Kontext von Sexismus, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus gedacht werden. So stellt das Konstrukt staatlicher Neutralität ein Instrument dar, um marginalisierte Lebensformen als parteiisch, als nicht-objektiv zu werten und ihnen damit die Zugehörigkeit zu eben diesem Staat zu verweigern. Das bestätigt dann auch Mauro Pioggia im Interview mit Schweiz aktuell: «Es ist offensichtlich, und man muss es zugeben: Wenn der Islam nicht so präsent wäre in Genf und in Europa, wäre dieses neue Gesetz nie gekommen».
Direkt zum Gesetz (www.ge.ch)
Medienmitteilung des Regierungsrates (www.ge.ch)