Urteil wegen Werbung für Schwangerschaftsabbruch im Fall der Ärztin Kristina Hänel aufgehoben

DEUTSCHLAND: WERBUNG FÜR SCHWANGERSCHAFTSABBRUCH § 219a StGB

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27.6.2019, Az. 1 Ss 15/19.

Nach einer Gesetzesänderung wurde das Urteil wegen Werbung für Schwangerschaftsabbruch zu Gunsten der Ärztin an das Landgericht Giessen zurückgewiesen. Auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen lasse sich nicht ausschliessen, dass das neue Recht zu einer für die Angeklagte günstigeren Bewertung führt.

«Die Angeklagte hatte gegen das Urteil des Landgerichts Giessen Revision zum OLG eingelegt. Die Revision führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das Landgericht. „Das Urteil hat aufgrund der nach Erlass des landgerichtlichen Urteils eingetretenen Gesetzesänderung keinen Bestand“, begründete das OLG die Entscheidung. Da das Revisionsgericht gemäß § 354a StPO bei der Überprüfung des landgerichtlichen Urteils einerseits die neue Gesetzeslage zu berücksichtigen hatte (§ 2 Abs. 3 StGB), andererseits aber an die Feststellungen des Landgerichts gebunden ist, musste das Urteil aufgehoben werden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die ergeben, dass die Informationen, die die Angeklagte im Internet über die in ihrer Praxis durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche veröffentlicht hatte, bei Anwendung des neuen Rechts gemäß § 219a Abs. 4 StGB straflos wären. Die Sache muss daher vor dem Landgericht Gießen nochmals neu verhandelt werden.»

Der deutscher Juristinnenbund forderte in einer Stellungnahme bereits im Januar die Streichung des § 219a StGB und schlug weitere Änderungen der Gesetzgebung vor, nachdem das BMJV einen „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ vorgelegt hatte.
«Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüsst grundsätzlich, dass die Bundesregierung die andauernde Rechtsunsicherheit für Ärztinnen und Ärzte sowie ungewollt schwangere Frauen beseitigen möchte. Ebenso erfreulich ist, dass neutrale, medizinisch und rechtlich qualitätsgesicherte Informationen auch durch staatliche oder staatlich beauftragte Stellen zur Verfügung gestellt werden sollen. Damit kommt der Staat seinem diesbezüglichen Informationsauftrag nach. Die im Referentenentwurf vorgesehenen Änderungen des StGB und SchKG können aber die verfassungsrechtlichen Mängel der Regelung in § 219a Strafgesetzbuch nicht beseitigen. (…) Die Einfügung einer Ausnahmeregelung in § 219a Strafgesetzbuch, wonach Ärztinnen und Ärzte „auf die Tatsache hinweisen dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche“ im Rahmen des geltenden Rechts vornehmen und ihnen im Übrigen gestattet sein soll, auf von der Bundesärztekammer (BÄK) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) geführte Listen und damit auf die dort enthaltenen Informationen hinzuweisen, vermag die verfassungsrechtlichen Mängel von § 219a StGB nicht zu beseitigen. Der djb fordert die Streichung von § 219a StGB. Stattdessen sollte ein Ordnungswidrigkeitentatbestand in § 14a SchKG geschaffen werden».

Direkter Zugang zur Pressemitteilung (ordentliche-gerichtsbarkeit-hessen.de)
Zugang zur Stellungnahme in der Feministischen Rechtszeitschrift STREIT (streit-fem.de)