Sentenzeparita.ch: 2019 publizierte Rechtsprechung des Bundesgerichts nachgeführt

SCHWEIZ: GLEICHSTELLUNGSGESETZ

2020

Die Webseite sentenzeparita.ch, auf welcher die publizierte Rechtsprechung des Bundesgerichts sowie des Tessiner Obergerichts auf italienisch zusammengefasst wird, ist mit den 2019 veröffentlichten Entscheiden aktualisiert

Die italienischsprachige «Cousine» von gleichstellungsgesetz.ch und www.leg.ch/jurisprudence wurde wie üblich per Ende Jahr aktualisiert. Auf der Plattform werden sämtliche Bundesgerichtsentscheide zum Gleichstellungsgesetz aufgenommen und mit einer italienischsprachigen Zusammenfassung aufgeschaltet.
Vor allem das Urteil 145 II 153 sorgte letztes Jahr für ein gewisses Aufsehen, wonach Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, insbesondere wegen Homosexualität, nur dann unter Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GlG fallen, wenn sie geeignet sind, ausschliesslich oder überwiegend die Angehörigen eines bestimmten Geschlechts zu benachteiligen (Newsletter 2019#3).
Daneben gab es einige Entscheide, welche sich direkt oder indirekt mit sexueller Belästigung befassten, darunter Urteil 4A_544/2018 (Newsletter 2019#4). Dabei hat sich gezeigt, dass die fehlende Beweislasterleichterung (Art. 6 GlG ist nicht auf sexuelle Belästigungen anwendbar) die Hürde erhöht, aber auch, dass von der Belästigten hohe kulturelle Kompetenz verlangt wird: Wer «Mistinguett» genannt wird, hat sich gefälligst ausführlich über das Leben der Kabaretttänzerin Jeanne Florentine Bourgeois, genannt Mistinguett, zu dokumentieren, bevor sie sich belästigt fühlt (Urteil 4A_18/2018). Auch sollte Frau* etwas aufpassen, wenn sie jemanden der sexuellen Belästigung verdächtigt: Die Aussage, jemand habe gegenüber einer Kollegin und Kundinnen unerwünschte «avances» gemacht, ohne dass das Wort «sexuelle Belästigung» fiel, führt nicht zu einer Verurteilung wegen Verleumdung bzw. übler Nachrede (Urteil 6B_1202/2018).
Im Urteil 8C_469/2019 führt das Bundesgericht aus, dass der Gesundheitsschutz bei Mutterschaft gemäss Art. 35 Arbeitsgesetz (ArG) zwar einerseits auch im öffentlichen Personalrecht gilt, die Arbeitgebenden andererseits aber während höchstens 1 Jahr nach der Niederkunft zu erhöhter Rücksichtnahme verpflichtet sind.
Dass das Gleichstellungsgesetz auch dazu benutz wird, andere Arbeitnehmenden-Rechte anzugreifen, zeigt das Urteil 4A_173/2018/4A_179/2018: Dabei hatte eine Firma – allerdings vergeblich – versucht zu argumentieren, der «Lohn des Arbeitnehmers» zur Berechnung der Entschädigung des Arbeitnehmenden bei ungerechtfertigter Entlassung (Art. 337c Abs. 3 OR) sei wie im Falle der sexuellen Belästigung gemäss Art. 5 Abs. 3 GlG nach dem schweizerischen Durchschnittslohn statt nach dem effektiv bezogenen Lohn zu berechnen, der im konkreten Fall besonders hoch war.
Das Urteil 8C_448/2018 schliesslich betrifft Nachwehen der Umorientierung der Finanzhilfen nach GlG, wonach Beratungsstellen im Sinne von Art. 15 Abs. 1 GlG seit 2019 nicht mehr unterstützt werden, was zur Reduktion der Arbeitszeit einer Beraterin führte. Da sie sich aber in einer arbeitnehmerähnlichen Stellung befand, blieben ihr die Arbeitslosentaggelder versagt.
Urteile zur Lohngleichheit wurden im Jahr des Frauenstreiks keine gefunden.
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