Ehe für alle

ECUADOR: MENSCHENRECHTE

Corte Constitucional del Ecuador, 12. Juni 2019 (Sentencia N. 10-18-CN/19, Sentencia N. 11-18-CN/19)

Die Verfassung Ecuadors und die Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK) in ihrer verbindlichen Auslegung, die sie durch das Gutachten des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (IAGMR) OC 24/17 vom 24.11.2017 erhalten hat, gebieten es, die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Die widersprechenden Bestimmungen des ecuadorianischen Rechts sind nicht anwendbar, die gesetzgebende Gewalt wird verpflichtet, entsprechende gesetzliche Institutionen zu schaffen.

In zwei prozessual verschieden gelagerten Urteilen vom 12. Juni 2019 hat sich das ecuadorianische Verfassungsgericht zur Ehe für alle geäußert. Obwohl Art. 81 der Verfassung die Ehe als Verbindung zwischen «einem Mann und einer Frau» definiert, lasse das Dokument ein Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen nicht zu. Dies folgt zum einen aus dem Gutachten des IAGMR aus 2017, wonach die AMRK die Ehe für alle zwingend gebiete. Durch dieses Gutachten erfährt die AMRK, die in Ecuador als Teil des «bloque de constitucionalidad» Verfassungsrang hat eine verbindliche Auslegung, die somit unmittelbar Teil der ecuadorianischen Verfassung wird. Die Öffnung der Ehe wird auch von der ecuadorianischen Verfassung selbst geboten, die derzeitige Rechtslage stellt eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung dar.

Kommentar von Andreas Gutmann
Das Gutachten des IAGMR führt in der Region zu einer bedeutenden Stärkung von LGBTIQ*-Rechten. Wie schon in Costa Rica (ausführlich zum Gutachten und zu Costa Rica hier [Völkerrechtsblog]) wird es nun auch von der ecuadorianischen Rechtsprechung als verbindlich angesehen und umgesetzt. Die ecuadorianischen Fälle sind auch dogmatisch äußerst beachtenswert. Ihre gesamte Argumentation baut darauf auf, dass die Verfassung auf eine möglichst weitreichende Gewährleistung von Rechten ausgerichtet ist und daher stets in ihrer Gesamtheit, einschließlich internationaler Menschenrechtsgewährleistungen, ausgelegt werden müsse, selbst wenn eine derartige Auslegung mit dem Wortlaut einzelner Vorschriften, hier Art. 81, in Konflikt gerate. Auch die starke Betonung, dass keine rechtfertigenden Gründe für einen Ausschluss der Ehe für alle ersichtlich sind und insbesondere überkommene religiöse und moralische Vorstellungen nicht zur Einschränkung der persönlichen Freiheit einzelner führen dürfen, ist über den ecuadorianischen Kontext hinaus beachtenswert.
Direkter Zugang Urteil No. 10-18-CN/19 (spanisch)
Direkter Zugang Urteil No. 11-18-CN/19 (spanisch)