Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung

EU: LGBTIQ-RECHTE

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 14. Januar 2020 (Beizaras und Levickas vs. Litauen, Verletzung von Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK)

Litauen weigerte sich ein Strafverfahren wegen Diskriminierung eines schwulen Paares zu eröffnen. Das Paar hat gemeinsam mit einer LGBTI-Organisation Klage beim EGMR eingereicht. Dieses bestätigt, dass Litauen die menschenrechtlichen Verstösse hätte ahnden müssen.

Das schwule Paar, Beizaras (Jg. 1996) und Levickas (Jg. 1995), hat mit juristischer Unterstützung der litauischen NGO für LBGTI Interessen und einem Londoner Anwalt Beschwerde wegen Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung eingereicht, weil der Staat Litauen bei einer entsprechend öffentlichen Behandlung eines sich küssenden heterosexuellen Paares sehr wohl ein Strafverfahren durchgeführt hätte, diese bei ihnen aber nicht hatte, was diskriminierend sei (Rz. 85-86): Konkret, ging es um eine Foto der beiden Männer bei einem Kuss, die sie sowohl auf Facebook für «Freunde» als auch öffentlich ersichtlich posteten, in Reaktion auf verschiedene homophobe Kommentare, die sie bereits erhalten hatten und um den «Beginn ihrer Beziehung» anzukündigen. Diese Foto erhielt 2'400 Likes und 800 Kommentare, wobei die meisten dieser Kommentare hasserfüllt und rassistisch waren (Rz. 10). Daraufhin hatte die litauische NGO in ihrem Interesse vom Staat verlangt, dass ein Strafverfahren eröffnet werde. Dies wurde auf verschiedenen Hierarchien mit der Begründung verneint, dass der Kuss erstens eine bewusste Provokation der Betroffenen selbst gewesen sei und zweitens die Reaktionen noch kein strafrechtlich relevantes Niveau erreicht haben. Der Gerichtshof weist zunächst auf seine Praxis hin (Rz. 114-115): „The Court has [also] repeatedly held that, just like differences based on sex, differences based on sexual orientation require “particularly convincing and weighty reasons” by way of justification. Where a difference in treatment is based on sex or sexual orientation, the State’s margin of appreciation is narrow. As to the burden of proof regarding discrimination, the Court has established that once an applicant has shown a difference in treatment, it is for the Government to show that it was justified.“ Und kommt in seiner entsprechenden Subsumtion zum Schluss, dass sowohl die Hatespeeches hinsichtlich sexueller Orientierung der Betroffenen Menschenrechtsverletzungen darstellten wie auch die nachfolgend unterlassenen Strafuntersuchungen auf diesem gleichen diskriminierenden Denken beruhten. Es wäre aber Pflicht des Staates gewesen, die Betroffenen zu schützen (Rz. 129).
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