Frauenbefreiung dank Lohn für Hausarbeit

SCHWEIZ: BEFREIUNGSPERSPEKTIVEN

2018

Von Simona ISLER

Die Frauenbewegung der 1970er Jahre hatte sich zum Ziel gesetzt, unbezahlte Hausarbeit als gesellschaftliche und notwendige Arbeit sichtbar zu machen. Frau war sich einig, dass die Frauenunterdrückung unter anderem auf der kapitalistischen Arbeitsteilung in unbezahlte Hausarbeit für Frauen und bezahlte Erwerbsarbeit für Männer beruhte. Verschiedene Strategien boten sich für den Befreiungskampf an: Während einige fanden, die Emanzipation der Frauen müsse über die gleichberechtigte Integration in den Erwerbsarbeitsmarkt stattfinden, waren andere der Meinung, Frauen sollten für ihre Arbeit im Haus und mit den Kindern entlohnt werden. Die auch in der Schweiz geführte internationale Kampagne für einen Lohn für Hausarbeit provozierte innerhalb und ausserhalb der Frauenbewegung. Die Forderung nach Bezahlung widersprach diametral dem herrschenden gesellschaftlichen Konsens, dass Frauen aus Liebe zu Kindern und Ehemännern im Haus kochten, putzten, trösteten und sich schön machten. Aber auch die Mehrheit der Feministinnen stand der Lohn-für-Hausarbeit-Bewegung skeptisch gegenüber: Sie befürchtete, die Bezahlung würde die Frauen noch mehr an die Hausarbeit binden, anstatt sie von Haus und Mann zu befreien. Die Lohn-für-Hausarbeit-Feministinnen reagierten vehement auf diese Kritik: Aus ihrer Perspektive war nichts bereits so sehr institutionalisiert und naturalisiert wie die Zuständigkeit der Frauen für die unbezahlte Arbeit. Der vorgeschlagene Lohn für Hausarbeit kämpfte gegen eben diese Tatsache an, weil er schonungslos aufzeigte, dass die Sorge um Kinder und Ehemänner Arbeit war. Mehr noch: Die Vertreterinnen der Forderung machten deutlich, dass die unbezahlte Arbeit von Frauen der Grundpfeiler der kapitalistischen Produktionsordnung war. Ohne die Produktion von Arbeiterinnern und Arbeitern und die Reproduktion von Arbeitskraft in den Haushalten, konnten auch keine Güter in Fabriken und Betrieben hergestellt werden. Ohne die Arbeit der Frauen lief gar nichts. 
Die Forderung Lohn für Hausarbeit stellte also klar, dass die Sorge um Kinder und Ehemänner Arbeit ist. Und sie beinhaltete eine Analyse kapitalistischer Produktionsverhältnisse. Gleichzeitig war Lohn-für-Hausarbeit aber auch eine konkrete politische Strategie, um Frauen in den politischen Auseinandersetzungen der 70er Jahre zu ermächtigen. Erst die Umverteilung von Geld und Zeit würde den Frauen ermöglichen, eine zukünftige bessere Welt aktiv in ihrem Sinne mitzugestalten (Vgl. Simona Isler (2015): Lohn für Hausarbeit? Befreiungsperspektiven der Frauenbewegung in den 1970er-Jahren. In: Brigitta Bernet/Jakob Tanner (Hg.): Ausser Betrieb. Metamorphosen der Arbeit in der Schweiz. Zürich).

Und heute?
Spätestens seit den 1990er Jahren hat sich die Position durchgesetzt, dass Frauen über ein eigenes Erwerbseinkommen ökonomisch unabhängig werden und sich so von unbezahlter Arbeit befreien sollen – auch dank des vermehrten Engagements von Männern. Beides erweist sich bei genauer Betrachtung als Illusion. Trotz der heute hohen Beteiligung der Frauen am Erwerbsarbeitsmarkt, sind viele ökonomisch abhängig geblieben. Sie sind weiterhin auf ein zusätzliches Männereinkommen oder auf sozialstaatliche Leistungen angewiesen, weil sie mit ihren schlecht bezahlten Jobs nicht genug verdienen. Die unbezahlte Arbeit wird nach wie vor mehrheitlich von Frauen erledigt. Eine Umverteilung hat höchstens zwischen Frauen stattgefunden, denn an Stelle der Männer entlasten uns heute Kita-Betreuerinnen, Alten-Pflegerinnen und Putzfrauen. Vielleicht ist die Zeit reif, noch einmal zu diskutieren, was das Potential einer Lohn-für-Hausarbeit-Perspektive heute sein könnte? Lohn für Hausarbeit will die notwendige und gesellschaftlich wichtige Arbeit von Frauen sichtbar machen und eine Debatte provozieren. Lohn für Hausarbeit bedeutet bisher unbezahlte Arbeit und schlecht bezahlte Arbeit auf Kosten der ganzen Gesellschaft zu finanzieren. Lohn für Hausarbeit fordert mehr Geld und mehr Zeit für Sorgearbeit, unabhängig davon, wo und von wem sie geleistet wird.

Eine längere Version dieses Texts ist im Januar 2019 erschienen: Simona ISLER, Anja PETER, «Lohn für Hausarbeit: Nötiger denn je!», 2019, Antidot S. 26-29.