Hassverbrechen

EUROPA: DIE ROLLE DER STRAFVERFOLGUNGSBEHÖRDEN UND ANDERER STELLEN

2021
EU Agency for Fundamental Rights (FRA), Encouraging hate crime reporting - the role of law enforcement and other authorities, July 2021.

«In der ganzen EU erschweren erhebliche Barrieren bei der Anzeige von Hasskriminalität den Zugang der Opfer zu Schutz und Justiz. […] Viele Opfer bringen Übergriffe nicht zur Anzeige, weil es zu schwierig ist oder sie der Polizei nicht vertrauen. Die FRA fordert die EU-Staaten auf, die Anzeige von Hasskriminalität zu fördern, deren Erfassung zu verbessern und dafür zu sorgen, dass den Opfern Unterstützung, Schutz und Gerechtigkeit zuteilwerden.» (Pressemitteilung, 7. Juli 2021

Ausgehend von Umfragen der FRA und einer kürzlich vorgelegten Erhebung zu den Grundrechten zeigt dieser neueste Bericht die Lücken bei der Anzeige von Hassdelikten in der EU auf.
Der Bericht beschreibt die Art, den Kontext und die Prävalenz von durch Vorurteile motivierter Gewalt und Belästigung und unterstreicht die Bandbreite der Viktimisierung, die nicht gemeldet werden. Anschliessend wird untersucht, warum die Opfer solcher Vorfälle diese nicht melden. Die Ergebnisse zeigen, dass die meisten denken, dass dies nichts ändern würde, dass die Verfahren zu bürokratisch und zeitaufwendig sind, oder dass sie zögern, weil sie kein Vertrauen in die Polizei haben. Der Bericht zeigt nicht nur verschiedene Barrieren auf, sondern skizziert auch Wege, um Opfer zu ermutigen und zu befähigen, Anzeige zu erstatten. Dazu gehören umfassende, langfristige Bemühungen, wie die Bekämpfung struktureller Diskriminierung und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit; und spezifischere und praktische Schritte, wie die Ermöglichung von Meldungen durch Dritte (insbesondere Institutionen der Zivilgesellschaft, Beratungsstellen u.ä. denen über Vorfälle berichtet wird) sowie die Einbindung von Spezialist*innen für Hassverbrechen in Polizeieinheiten.
Der Bericht enthält Hinweise auf zahlreiche Untersuchungen der FRA und auf die zum Teil unterschiedliche Situation je nach Minderheitengruppe. Dabei wird u.a. festgestellt, dass gerade bei geschlechtsspezifischer Hasskriminalität die Melderate besonders gering ist.

Direkter Zugang zu Pressemitteilung und Bericht (fra.europa.eu)
Für die Schweiz verweisen wir auf die Studien des SKMR zu Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen (skmr.ch)

Kommentar von Rosemarie Weibel:
Was im Bericht nur am Rande zur Sprache kommt, obschon z.T. in den Umfragen enthalten, ist eine Analyse nach Geschlecht. Zwar wird die (besonders niedrige) Meldehäufigkeit bei geschlechtsspezifischer Hasskriminalität benannt und es ist die Rede davon, wie Vorurteile sich kumulieren können (genannt wird u.a. Behinderung und Geschlecht), aber die Frage, ob z.B. bei der Meldung und den Meldeadressaten von Hassdelikten gegenüber ethnischen oder religiösen Minderheiten je nach Geschlecht Unterschiede bestehen, wird nicht gestellt. Dem müsste wohl über ein Studium der verschiedenen Spezialberichte nachgegangen werden.

FRI - Gender Law Newsletter 2021#3 - III.2