Homosexualität von Verbot der direkten Diskriminierung in Gleichstellungsgesetz nicht erfasst.
 

SCHWEIZ: GLEICHSTELLUNGSGESETZ

Bundesgericht, 5. April 2019 (BGE 145 II 153) 

Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, insbesondere wegen Homosexualität, fallen nur dann unter Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GlG (Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann), wenn sie geeignet sind, ausschliesslich oder überwiegend die Angehörigen eines bestimmten Geschlechts zu benachteiligen.


Bestätigung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. August 2018, A-1276/2017, über das wir in Newsletter 2018#4 berichtet hatten.
Sachverhalt: Der Beschwerdeführer (Bf.) schloss 2015 mit einem Zweig der schweizerischen Armee einen Vertrag über ein befristetes Arbeitsverhältnis als Einheitskommandant mit Zusatzfunktionen in der Schule X ab. 2016 bewarb er sich erneut für die gleiche Stelle. Mit Schreiben vom 9. Januar 2016 teilte ihm der Kommandant der Schule mit, eine Verlängerung der Anstellung sei nicht möglich, da die Schule X nur bis Ende Januar 2016 über die Stelle verfüge. Der Bf. verlangte eine Verfügung betreffend der Nichtanstellung. Zur Begründung machte er eine Diskriminierung wegen gleichgeschlechtlicher Orientierung nach dem Gleichstellungsgesetz (GlG; SR 151.1) geltend. Als Antwort erhielt er die Begründung, seine sexuelle Orientierung sei irrelevant gewesen, die Stelle werde im Organigramm nicht mehr weitergeführt. Zudem erfülle er aufgrund seines Alters die Anforderungen nicht. Strittig ist vor Bundesgericht, ob eine direkte Geschlechtsdiskriminierung nach Art. 3 GlG vorliege. Besteht die Diskriminierung in der Ablehnung einer Anstellung, so hat die betroffene Person Anspruch auf eine Entschädigung (Art. 5 Abs. 2 GlG). 
Urteilsbegründung: Das Bundesgericht verneint eine direkte Diskriminierung nach Art. 3 GlG mit der Begründung, es liege in diesem Fall keine Diskriminierung «aufgrund ihres Geschlechts» vor. Es folgt damit den Erwägungen der Vorinstanz, nach welcher eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nur vorliege, wenn die Angehörigen eines bestimmten Geschlechts ausschliesslich oder überwiegend von einer Regelung benachteiligt werden. Dies sei etwa der Fall, wenn die Arbeitgeberschaft zwar gewillt sei, homosexuelle Frauen anzustellen, nicht aber homosexuelle Männer oder umgekehrt. Der Beschwerdeführer mache aber nicht geltend, im dargelegten Sinne aufgrund seiner sexuellen Orientierung diskriminiert worden zu sein. Seine Vorbringen beschränken sich, so das Bundesgericht, auf den Vorwurf, die Arbeitgeberin habe ihn wegen seiner Homosexualität nicht (mehr) angestellt. Dass Bewerbungen homosexueller Männer für sogenannte «Zeitmilitärstellen» oder für andere verfügbare Stellen generell nicht berücksichtigen würden, solche für homosexuelle Frauen dagegen schon, bringe der Beschwerdeführer  aber nicht vor. Ebenso wenig mache er geltend, es würden generell keine gleichgeschlechtlich orientierten Personen angestellt (E. 4.1.) Das Bundesgericht begründet seinen Entscheid rechtlich damit, dass bereits der Wortlaut der Bestimmung besagt, dass die Diskriminierung geschlechtsspezifisch sein müsse.  Abgewichen werden dürfe vom Wortlaut «mit dem Geschlecht» nur dann, wenn ein triftiger Grund für die Annahme bestehe, der Wortlaut ziele am «wahren Sinn» der Regelung vorbei. – Einen solchen Anlass sieht das BGer nicht gegeben, weder aus historischer, teleologischer oder gesetzes­systematischer Sicht. 1.) Die historische Auslegung besage, dass das Ziel des GlG die tatsächliche Gleichstellung von Frau und Mann sei; das sei der Wille des Gesetzgebers gewesen 2.) Die Aufzählung der Kriterien in Art. 3 GlG («namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft.») hat zwar keinen abschliessenden Charakter, auch die sexuelle Orientierung könne erwähnt werden, soweit diese geeignet sei, einen grösseren Anteil von Personen des einen Geschlechts zu benachteiligen. 3.) Mit Blick auf Art. 8 Abs. 2 BV wird argumentiert: Diskriminierungen infolge der sexuellen Orientierung fallen nach Lehre und Praxis unter das Kriterium «Lebensform»; das Diskriminierungsverbot aufgrund der Geschlechtsidentität (Intergeschlechtlichkeit und Transidentität) werde aber unter das Kriterium «Geschlecht» subsumiert. Mit Blick auf das PartG wird argumentiert, dessen Geltungsbereich sollte nicht auf das GlG ausgedehnt werden (E. 4.3.6).
 
Kommentar von Sandra Hotz
Das Bundesgericht folgt mit dieser Begründung einem engen Verständnis von geschlechtsspezifischer Diskriminierung in der Lehre zu Art. 3 GlG und unterstreicht die Bedeutung der historischen Auslegung. Es gibt aber, wie es selbst ausführt, namhafte Lehrmeinungen, die «Geschlecht» ausweiten auf ein Verständnis, das auch alle Varianten und stereotype Vorstellungen von sozialen Frau/Mann-Rollen umfasst. Letzteres Verständnis allein entspricht internationalem Recht. Die Allgemeinen Empfehlungen zu den CEDAW-Kernpflichten der Staaten (2010) unterstreichen, dass das Diskriminierungsverbot des CEDAW nicht nur biologische Unterschiede («discrimination based on sex»), sondern vor allem auch unterschiedliche (aber im Laufe der Zeit veränderbare) Rollen und Verantwortlichkeiten, welche Frauen und Männer in der gesellschaftlichen Wirklichkeit übernehmen («gender-based discrimination») umfasse (Allgemeine Empfehlung No. 28/2010). Margrith Bigler-Eggenberger schrieb einmal, dass die historische Auslegung regelmässig zum Nachteil der Frauen sei. Hier zeigt sich, dass die Betonung der historischen Auslegung sich einem praktisch inklusiven Verständnis des Gleichstellungsgesetzes und einem umfassenden Diskriminierungsschutz entgegensetzt. Dabei ist der Verfassungsauftrag auf Schutz von LBGTIQ*-Menschenrechten für sich genommen unumstritten in der Schweiz. Zudem ist von der ausnahmsweisen zulässigen richterlichen Weiterentwicklung des Gleichstellungsrechts, zu der Richterinnen und Richter nach Art. 1 ZGB ermächtigt sind, die Frage zu unterscheiden, ob es dem Legitimitäts- und Demokratieprinzip besser entsprechen würde, das Gleichstellungsgesetz künftig so zu formulieren, dass für alle klar ist, dass ein Gleichstellungsauftrag und Diskriminierungsverbot zu Geschlecht, Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung besteht.
Direkter Zugang zum Bundesgerichtsurteil (bger.ch)

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