Homologe Befruchtung post mortem

ITALIEN: FORTPFLANZUNGSMEDIZIN- UND ABSTAMMUNGSRECHT

La Corte Suprema di Cassazione, Sezioni uniti civili 
Sentenza Cassazione Civile N. 13000 vom 5. März 2019

Der Kassationshof hebt ein Urteil auf, das zum Schluss gekommen war, dass ein Kind, das aus Samenzellen des verstorbenen Ehemannes der Mutter in Spanien im IVF-Verfahren gezeugt und in Italien zur Welt gekommen war, nicht auch als die rechtliche Tochter des verstorbenen Ehemannes mit dessen Namen im Zivilstands­register eingetragen werden könne. 
Die Rekurrentin (R.) und ihr verstorbener Ehemann hatten sich aufgrund von Fortpflanzungs­schwierig­keiten entschieden, medizinische Unter­stützung in Anspruch zu nehmen. Noch während der Behandlung erfuhr der Ehemann, dass er schwer erkrankt war und seine „Fruchtbarkeit in Kürze endgültig beeinträchtigt“ sein würde. Im Bewusstsein um sein bevorstehendes Lebensende ermächtigte er seine Frau, seine kryokonservierten Spermien postmortal zu verwenden. L. ist in der Folge in Italien geboren, mittels IFV-Methoden in Spanien. Die Samenzellen stammten dabei von ihrem biologischen Vater, dem verstorbenen Ehemann der Mutter. Das Kassationsgericht hebt das Urteil des Appellationsgerichts in Zivilsachen von Ancona (2017) auf und weist es zurück, damit es in neuer Zusammensetzung entschei­den kann. Gemäss dem Kassationshof soll trotz Artikel 5 des Gesetzes Nr. 40/2004 vom 19. Februar 2004 (norme in materia di procreazione medicalmente assistita), wonach nur ein Paar Zugang zu den Techniken der medizinisch unterstützten Fortpflanzung haben soll, das volljährig, heterosexuell, verheiratet oder zusammenlebend, und im fortpflanzungsfähigen Alter ist und damit implizit lebend sein muss, das Wunschkind, das aus einer homologen postmortalen Befruchtung im Ausland geboren wurde, vom zuständigen italienischen ­Registeramt mit Angabe der Identität beider Eltern eingetragen werden können und damit auch den Nachnamen des verstorbenen Vaters tragen können. Bedingung ist, dass nachgewiesen werden kann, dass dies dem Willen des verstorbenen Vaters entsprach. Das Gericht stützt seine Begründung im Wesentlichen auf zwei Punkte: 1.) Auf Art. 6 des genannten Gesetzes, der als Voraussetzung zum Zugang zur homologen IVF-Befruchtung die Zustimmung verlangt, die tatsächlich vorlag und vom verstorbenen Vater auch nie widerrufen worden war und folgert daraus dessen Willen zur Vaterschaft. 2.) Auf Artikel 8, der explizit die Gleichbehandlung von Kindern, die aufgrund von medizinisch unterstützten Fortpflan­zungsverfahren geboren werden mit anderen Kindern festschreibt. Diese Gleichbehandlung müsse auch gelten, wenn diese Kinder nach dem Tod des Vaters mittels homologer Befruchtung geboren wurden und dies müsse etwa auch gelten, wenn die in Art. 231ff., Art. 234 Codice Civile vor­gesehenen 300-tägige Frist für die gesetzliche Vermutung der Vaterschaft bereits verstrichen sei. Es stehe dieser Auffassung auch nicht das Recht des Kindes auf zwei Elternteile entgegen, denn in casu hätte nur die Alternative bestanden, nicht geboren zu werden. Im Gegenteil, das Gericht argumentiert, dass es für die Identität des Kindes wichtig sei, möglichst schnell zu wissen, dass es von zwei Eltern abstamme („bigenitorische Abstammung“). Schliesslich führt der Gerichtshof auch noch allgemein aus, das Fragen nach Abstammung und Status einer Person von einem Gericht beurteilt werden müssten; und nicht Sache von Registerämtern sein könne.
Direkt zum Urteil (Download, biodiritto.org)