Anspruch auf Familiennachzug des Ehegatten bei Vorliegen eines gefestigten Aufenthaltsrechts

SCHWEIZ: MIGRATIONSRECHT

Bundesgericht, 28. Februar 2020 (2C_668/2018)

Ein gefestigtes Aufenthaltsrecht gestützt auf Artikel 8 EMRK gibt grundsätzlich Anspruch auf den Familiennachzug des Ehegatten.

In diesem in öffentlicher Sitzung diskutierten Fall ging es um den Nachzug einer Ehefrau durch einen Drittstaatsangehörigen, der seit 22 Jahren in der Schweiz lebte, aber den Antrag auf Familiennachzug erst nach rund 17 Jahren gestellt hatte. Kurz nach seiner Einreise war er gänzlich und definitiv arbeitsunfähig geworden und verfügte einzig über eine Aufenthaltsbewilligung B.
Da der Beschwerdeführer seit über 22 Jahren in der Schweiz lebt, verfügt er aufgrund des Rechts auf Achtung des Privatlebens (Artikel 8 EMRK) über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht (BGE 144 I 266). Er kann sich daher auch für den Nachzug seiner Ehefrau auf Artikel 8 EMRK berufen, womit die Beschwerde ans Bundesgericht offen steht (siehe Art. 83 lit. c BGG). Allerdings müssen die Voraussetzungen gemäss Artikel 44 (Zusammenwohnen, bedarfsgerechte Wohnung, nicht auf Sozialhilfe angewiesen) und Artikel 47 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG) (Einhalten der Nachzugsfristen bzw. wichtige familiäre Gründe) erfüllt sein.
Das Bundesgericht weist die Sache zu ergänzenden Abklärungen und neuem Entscheid an die Waadtländer Migrationsbehörden zurück.

Anmerkung: Das Urteil wurde mit drei zu zwei Stimmen gefällt und folgte auf eine offenbar turbulente öffentliche Beratung. Die unterliegenden Richter*innen warfen den Kolleg*innen vor, Politjustiz zu betreiben. Für letztere handelt es sich einzig um eine Bestätigung der Rechtsprechung in Anwendung von Art. 8 EMRK (Tagesanzeiger vom 28. Februar 2020).

Direkter Zugang zur Pressemitteilung vom 3. März 2020 (bger.ch)
Accès direct au communiqué de presse due 3 mars 2020 (bger.ch)