Violent Times, Rising Protests. Structures, Experiences, and Feelings

Fachtagung 2019 der Schweizerischen Gesellschaft für Geschlechterforschung

12. – 13. September 2019
Universität Bern, Uni Muesmatt, Muesmattstrasse 29, Raum 006

Keynotes: Noémi Michel (Université de Genève), Jack Halberstam (Columbia University)
Informationen und Detailprogramm

Gewalt hat in der Geschichte der Moderne einen festen Platz. Allerdings wird die Welt in letzter Zeit von einer wachsenden Anzahl von Menschen als besonders gewaltvoll erfahren und wahrgenommen: Medien berichten permanent über andauernde Kriege, Hassreden machen sich in den sozialen Medien breit, die Zahl öffentlich auftretender «Wutbürger*innen» steigt, «Andere» und «Fremde» sind mit offenem Sexismus, Rassismus und Homophobie konfrontiert und nicht zuletzt ist sexuelle Gewalt präsenter denn je. Dies sind nur einige Beispiele, die die globale Omnipräsenz von verschiedenen Formen der Gewalt illustrieren: Sind diese Formen der Gewalt miteinander verknüpft und wenn ja, wie genau hängen sie zusammen? Wie lassen sie sich in ihrer teils verschränkten, teils unterschiedlichen historischen Entwicklung untersuchen? Und wie lassen sich deren konkrete Auswirkungen auf die Erfahrungs- und Gefühlswelten der Menschen fassen?

Gewalt ist nicht nur ein zentrales und strukturierendes Prinzip von Kategorien der Differenz (wie Geschlecht, Herkunft, Race, Sexualität oder Klasse), sondern auch ein zentrales Merkmal der Moderne, das alle sozialen Verhältnisse strukturiert. Tatsächlich ist Gewalt konstitutiv für die meisten Staaten und Gesellschaften, ihre Geschlechterordnungen, familialen Strukturen, ökonomischen Systeme und Blickregimes (um nur einige Beispiele zu nennen). Gewalt formt die Konditionen der Prekarität und Migration ebenso wie die alltäglichen Erfahrungen von Stigmatisierung, Rassismus, Sexismus, Homophobie und Transphobie. Von besonderem Interesse sind für uns Analysen, die die vielfachen Formen aufzeigen, in denen sich Gefühle wie Hass, Neid, Wut, Zorn und Unsicherheit auf unsere private und professionelle Lebensgestaltung, auf Gesetze und Diskurse auswirken.

Wesentlich ist, dass diese «Zeit der Gewalt» zugleich neue Öffentlichkeiten politisiert und mobilisiert und von kreativen Formen des Protests begleitet sowie von zum Teil sehr ungewöhnlichen Koalitionen und alternativen Formen des Zusammenlebens geprägt wird. Vom Arabischen Frühling über Occupy zu Black Lives Matter, #MeToo und einer zunehmenden Sichtbarkeit von Trans*Bewegungen – diese Pluralität kollektiver Praktiken und Aufrufe für ein anderes, besseres Leben ist auf komplexe Weise mit der erfahrenen und gefühlten Gewalt verbunden. Das Ziel der Tagung geht deshalb in zwei Richtungen: Einerseits soll ein besseres Verständnis von struktureller Gewalt in ihren vielfältigen physischen, symbolischen, ökonomischen, affektiven und epistemischen Dimensionen gewonnen werden. Andererseits geht es darum, Strategien und Taktiken des Widerstands – eines ‘anderen’ Seins, Tuns und Fühlens – zu erkunden sowie Visionen eines lebbaren Lebens in Solidarität aufzuzeigen.