Newsletter 2019#4 - Editorial

Liebe Leser*innen


Am 18. Dezember 2019 wird die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, in der englischen Abkürzung CEDAW, 40 Jahre alt. Dieser runde Geburtstag ist die Gelegenheit, dieses wichtige völkerrechtliche Instrument und sein Potenzial im Kampf gegen Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts in Erinnerung zu rufen. Doch ist der Text der CEDAW denn überhaupt noch aktuell, oder ist er nicht schon längst von 40 Jahren gesellschaftlicher, rechtlicher und theoretischer Entwicklung überholt? Die Frage der Aktualität der Auslegung der Konvention ist tatsächlich immer wieder neu zu stellen und in (auch international zu führenden) Debatten zu diskutieren und zu klären. So wird die CEDAW denn auch vom UN-Ausschuss, der ihre Umsetzung in den Vertragsstaaten überwacht, als ein «lebendiges Instrument» (living instrument) betrachtet. Dies hat dem Ausschuss ermöglicht, auf Impulse von verschiedenen Seiten, insbesondere von sozialen Bewegungen zu reagieren und die Konvention auf wichtige, im Moment der Verabschiedung noch zu wenig beachtete Formen von Diskriminierung zu erweitern. Beispiele sind seine Empfehlungen zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt und zum Schutz vor Diskriminierungen aufgrund der Geschlechtsidentität und der sexuellen Orientierung. Zudem nimmt der Ausschuss heute vermehrt auch intersektionelle Diskriminierungen in den Blick, im Sinne des Zusammenwirkens von Geschlechtsdiskriminierung mit anderen Benachteiligungen etwa aufgrund von Religion, Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit oder Behinderung. 
Für die Schweiz ist die CEDAW am 26. April 1997 in Kraft getreten. Sie hat allerdings bisher in der Schweizer Rechtspolitik, Rechtspraxis und Rechtswissenschaft noch vergleichsweise wenig Wirkung entfaltet. Handlungsmöglichkeiten, um dem Übereinkommen mehr Aufmerksamkeit und Nachachtung zu verschaffen, gibt es viele, und der vorliegende Newsletter zeigt einige davon auf: Diskriminierungsbetroffene und ihre Rechtsvertreter*innen können die Verletzung der CEDAW in konkreten rechtlichen Verfahren rügen und eine völkerrechtskonforme Auslegung des Schweizer Rechts im Einklang mit den Vorgaben der CEDAW einfordern. Argumentative Unterstützung können sie in den beiden Kommentaren zur Konvention, die in der Schweiz 2015 in deutscher und 2019 in französischer Sprache erschienen sind, sowie im CEDAW-Leitfaden der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen finden. Organisationen, die sich für Frauen*rechte und den Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung einsetzen, sind eingeladen, sich in die Erarbeitung des Schatten- resp. Alternativberichts der Schweizer NGOs, koordiniert von der NGO-Koordination post Beijing Schweiz, einzubringen. Forschende wie auch Studierende können sich an der Debatte um die Interpretation der einzelnen Bestimmungen der CEDAW und deren konkreten Umsetzung beteiligen, und sich kritisch mit der Praxis des CEDAW-Ausschusses und der Auslegung der CEDAW durch nationale Gerichte auseinandersetzen. 
Nicht zuletzt ist aber der runde Geburtstag auch Anlass zum Feiern: Wir freuen uns, wenn Sie an der Veranstaltung des FRI zum 40-Jahre-Jubiläum der CEDAW am 16. Dezember 2019 in Bern teilnehmen und mit uns auf das wichtigste internationalrechtliche Instrument für Geschlechtergerechtigkeit anstossen!

Für die Redaktion:
Véronique Boillet, Michelle Cottier, Alexandre Fraikin, Sandra Hotz, Manuela Hugentobler, Nils Kapferer, Romina Loliva (verantwortliche Redaktorin) und Rosemarie Weibel

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